Das Race Across Germany - „Was machst Du hier? Ist doch albern! Dreh um!“

800 Kilometer – ca. 7200 Höhenmeter – 37 Stunden brutto – 32 Stunden netto – 90 Minuten Schlaf

Ich bin im Umfeld bekannt dafür, bei jedem gröberen Unfug sofort unkontrolliert den Arm zu heben und sinnlos „hier, ich“ zu brüllen. So hatte ich irgendwann in 2021 die grandiose Idee „… machste mit … wat soll schon schiefgehen …“.


routeAllerdings muss man hier auch ergänzend erwähnen, dass ich durchaus Erfahrung auf derartigen Distanzen habe. Am Sonntag gern mal 200 Kilometer Runden und irgendwie immer wieder mal diverse Brevet bis 600 Kilometer. Nebenher hatte ich 2019 bereits an Paris-Brest-Paris teilgenommen (1220 Kilometer – ca. 12.000 Höhenmeter). Insofern stürzte ich mich nicht unerfahren auf die 800 Kilometer des Race Across Germany.

 

 

Also irgendwann angemeldet und fertig.

Ich habe wirklich die meiste Zeit auf dem Rad genossen, vielleicht 100 Kilometer in Summe hatte ich keinen Spaß am Radeln – kein schlechter Schnitt auf 800. Irgendwo bei 200 Kilometer hatte ich kurz den Gedanken umzudrehen. Alles fühlte sich total albern an. Und wenn ich jetzt umdrehe, könnte ich abends im schönen Bett liegen und nicht stinkend von Tankstelle zu Tankstelle gondeln und irgendwo in Bushaltestellen „schlafen“. Aber der Gedanke verflog und körperliche Probleme gab es zum Glück auch keine nennenswerten.

Cockpit

Wobei? Im Nachhinein verklärt die Erinnerung und selbstverständlich gab (und gibt es eigentlich immer) irgendwelche Wehwehchen. Der Nacken macht irgendwann zu, da kann ich eh immer fix von ausgehen. Zusätzlich hatte ich erstmals Probleme mit meinen Händen. Irgendwie bekam ich ab Kilometer 450 das Gefühl das sich Blasen bilden. Ich habe die kurzen Handschuhe sicherheitshalber nicht ausgezogen. Ich wollte mir das Elend nicht anschauen und habe lieber ständig andere Griffpositionen gewählt. Das ging auch gut bis zum Ende. Mit Handschuhen fahre ich eher selten, derartige Distanzen aber auf jeden Fall. Und irgendwie bekam ich Schmerzen in den Fußsohlen. Auch neu. Aber Jammern hilft hier nicht. Und so groovte ich mich immer wieder in den Rhythmus. Ich hatte noch 2 Tage lang mit tauben und kribbelnden Füßen zu tun. Aber so etwas vergeht.

Generell habe ich wenig Probleme, mich immer wieder zu motivieren. Was wohl auch an meiner eher phlegmatischen Art liegt – getroffene Entscheidungen werden nicht revidiert. Und einfach vom Rad zu steigen ist irgendwo im Niemandsland auch wenig zielführend. Also weiter …

 

 

 

strava1

 Etwas mehr Details? Bitte sehr …

(ich bekomme allerdings die genauen Kilometerstände nicht mehr so richtig aufgedröselt)

Ich habe verdammt gut geschlafen. Eher selten bei mir. Der Start ist ab 8:00 Uhr auf dem Marktplatz in Aachen. Meine Startzeit ist 08:12 Uhr.

Es geht erst einmal leicht wellig und mit nur wenigen Anstiegen bis Bonn und dort über den Rhein. Ab dann wird es unangenehm. Es wird hügelig und bis ca. Kilometer 200 schraube ich mich immer weiter hinauf bis zum höchsten Punkt der Tour bei ca. 570 Meter. Immer wieder bissige Anstiege. Ich komme aus Potsdam und hier ist alles flach. Unsere Berge heißen „Autobahnbrücke“. 

Bei Kilometer 230, 300 und 360 sind dann auch noch einmal kräftige Anstiege. Zwischendurch bei Kilometer 341 ist der erste Checkpoint. Den werde ich aber bei Tageslicht nicht mehr erreichen und ich muss mich gegen 22:00 Uhr für die Nacht umziehen. Es wird verdammt kalt und ich ziehe das lange Zeug an bzw. drüber. Den Checkpoint erreiche ich ca. gegen 23:00 Uhr. Hier gibt es einen McDonalds und so wird sich erst einmal richtig schlechtes Essen eingeholfen. Aber der Körper will so langsam mal etwas anderes als Riegel und Kohlenhydrate-Drink.
Ab hier wird die Versorgung auch immer zum mentalen Problem. Süßes nur noch widerwillig. Bockwürste und belegte Brötchen an der Tankstelle sind jetzt schon beliebter.

So fahre ich jetzt durch die mittlerweile tiefe Nacht und muss über das erste kurze Schläfchen nachdenken. Die Augen werden so müde, dass eine Weiterfahrt – erst Recht auf den schnellen Abfahrten - keine gute Idee ist. Aber erst einmal muss ich von dem Berg runter. Denn oben ist es halt kälter als unten und nebenher gibt’s Bushaltestellen oder andere geeignet Unterstände eher in urbanen Regionen. Ich stelle den Wecker im Handy auf 30 Minuten und schlafe sofort ein.
ich hatte geplant auf der gesamten Tour 2 x für 30 Minuten zu schlafen. Das ging sich aber leider nicht aus. Dazu später mehr.

Das Handy klingelt und ich fahre weiter. Es bleibt unangenehm wellig und ich nehme jede Tankstelle mit, die nachts noch offen hat um meine Flaschen aufzufüllen und irgendwas zu essen.

Es muss dann so gegen 4:00 Uhr gewesen sein, als ich mich zum zweiten mal für 30 Minuten schlafen lege. Das klappt auch wieder wunderbar. Allerdings merke ich beim losfahren schon, dass das wohl nicht ausreichend war. Aber ich hoffe auf das Tageslicht und meine innere Uhr. Sobald es hell wird, sollte das eigentlich wieder gehen.
Ging es nicht. Ich musste mich gegen 07:00 Uhr nochmals hinlegen und wieder 30 Minuten schlafen. Den Stopp habe ich auch gleich genutzt um wieder auf Kurz/Kurz, was mittlerweile irgendwie unangenehm feucht und unangenehm anzuziehen war, zu wechseln.

 

Ab da ging es aber sehr gut.

Ziel k

Der Rest des Tages war unspektakulär und ich fuhr Hügel um Hügel.

Aber die ganzen kleinen Pausen und die ungeplante Schlafphase ließen meinen Zeitplan schmelzen. Im Grunde lief ich gerade Gefahr, erst nach Sonnenuntergang in Görlitz anzukommen. Das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Einfach aus purer Faulheit, mich wieder für kalte Temperaturen umziehen zu müssen. Also Gas!

Als dann irgendwann die Restkilometeranzeige des Garmin nur noch zweistellig war, kam Wohlgefühl auf. Es ist nicht mehr weit. Und das beste … es geht sich aus! Ich komme bei Tageslicht in Görlitz an. Um kurz nach 21:00 Uhr fahre ich durchs Ziel.

 

 Link zur Strava-Aktivität

 

ziel

Eckdaten der Verpflegung:

Ca. 12 Liter Wasser (mit etwas Isopulver das ich bei hatte)

10 Energieriegel
6 Bockwürste
5 belegte Brötchen
6 kleine Cola
2 Eistee

 

Autor: S. Rudat